Lorenzo Gavarini

Seit Anfang des Jahres 2023 heißt die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Deutschland nicht mehr Hartz IV, sondern Bürgergeld. Mit der Reform gibt es mehr Geld, weniger Bürokratie und bessere Chancen für eine Reintegration in die Arbeitswelt. Soweit die Idee. Das Bürgegeld wird zum Jahr 2024 sogar erhöht.

Kritiker werfen der Regierung vor, damit Langzeitarbeitslose zu fördern, Millionen würden sich auf Kosten des Staates ein gemütliches, arbeitsfreies Leben machen. Von rechtsaußen kommt zudem häufig die Polemik, Ausländer würden sich auf dem Rücken Deutschlands ausruhen. Eine falsche Behauptung, wie das Recherchekollektiv Correctiv erläutert.

Aber was sagen die nackten Zahlen? Wie viele Leute beziehen eigentlich Bürgergeld? Wie alt sind sie und woher kommen sie? Und wie haben sich die Zahlen seit Einführung des Bürgergeldes verändert? Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht auf ihrer Website die Statistiken zu diesen Fragen in der Tabelle 4.1.

Bürgergeld: Wie viele Leute beziehen die Sozialhilfe?

Laut dem Statistischen Bundesamt lebten im Jahr 2022 über 84,5 Millionen Menschen in Deutschland. Seither dürfte die Zahl weiter gewachsen sein, besonders der russische Angriffskrieg in der Ukraine sorgte 2023 für große Migrationsströme. Wie viele von den in Deutschland lebenden Menschen beziehen Bürgergeld?

Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist auf dem Stand des Juni 2023. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Deutschland 5.489.910 Menschen, die Bürgergeld bezogen. Es handelt sich also um fast 5,5 Millionen Menschen. Das sind etwa 6,5 Prozent der Einwohner Deutschlands.

Im Vergleich zum Juni 2022, als die Grundsicherung für Arbeitssuchende noch Hartz IV hieß, gibt es im Juni 2023 drei Prozent mehr Menschen, die auf Bürgergeld angewiesen sind. Das heißt im Jahr 2022 bezogen knapp 160.000 weniger Menschen die Sozialhilfe als jetzt.

Unterschied Ost- und Westdeutschland: Wo beziehen mehr Bürgergeld?

Interessant ist auch der Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. In den alten Bundesländern leben heute etwa 80 Prozent der Einwohner ganz Deutschlands. In der Verteilung des Bürgergelds verhält es sich ähnlich, 77 Prozent der Bürgergeld-Bezieher leben in Westdeutschland, die restlichen 23 Prozent in Ostdeutschland. Ein großes Ungleichgewicht scheint hier also nicht zu herrschen.

Wie viele Ausländer beziehen Bürgergeld?

Von den knapp 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehern sind fast 2,9 Millionen deutsche Staatsbürger, umgerechnet also etwas mehr als die Hälfte, 52,7 Prozent. Die restlichen 47,3 Prozent sind keine deutschen Staatsbürger. Woher kommen diese Menschen zum Großteil?

Die meisten stammen aus der Ukraine, 703.933 ukrainische Staatsbürger beziehen Bürgergeld. Kurz danach folgen Menschen aus Syrien, von ihnen beziehen 501.806 Menschen die Sozialhilfe. Danach folgen die Türkei, mit 198.666 Bürgergeld-Beziehern, Afghanistan mit 182.672 und Irak mit 114.964. Besonders bei den Menschen aus der Ukraine ist ein starker Anstieg zu verzeichnen, der mit dem Krieg in ihrem Heimatland zusammenhängt: Im Vergleich zum Vorjahr bezogen 2023 fast 45 Prozent mehr ukrainische Staatsbürger Bürgergeld in Deutschland.

Auch wenn einige rechte Parteien diese Zahlen verwenden, um eine vermeintliche Ungerechtigkeit im deutschen Sozialsystem zu beklagen, das angeblich Ausländer gegenüber Deutschen bevorzuge, widerlegt Correctiv diese Behauptungen. Hier wird nämlich komplett ignoriert, aus welchen Gründen Menschen nicht arbeiten. Unter anderem müsse man beachten, dass von den 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehern etwa 1,6 Millionen nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind – sie können nicht arbeiten, etwa aufgrund ihres Alters (unter 15 Jahre alt) oder aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation.

Grundsicherung: Alter und Geschlecht der Bürgergeld-Bezieher

Zuletzt listet die Bundesagentur für Arbeit noch auf, welches Alter und Geschlecht die Bürgergeld-Bezieher haben. Von den rund 5,5 Millionen Beziehern sind mehr als 2,6 Millionen unter 30 Jahre alt. Das sind 47,7 Prozent der Bürgergeld-Bezieher.

Im Bezug auf das Geschlecht spiegelt das Bürgergeld mehr oder weniger die deutsche Gesellschaft wieder. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung lebten im Jahr 2020 in Deutschland circa 50,7 Prozent Frauen und 49,3 Prozent Männer. Bei den Bürgergeld-Beziehern sind 51,1 Prozent Frauen und 48,9 Prozent Männer.