Seitdem die Staatsanwaltschaft Ravensburg offiziell gegen aktive und ehemalige Ärzte des Klinikums Friedrichshafen ermittelt, drängen sich Fragen auf: Wird das interne Compliance-Verfahren durch die Ermittlungen hinfällig? Und welche konkreten Ziele hat das Verfahren? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Welches Ziel hat das Compliance-Verfahren?

Der Begriff Compliance beschreibt die Einhaltung von Regeln und Normen innerhalb eines Unternehmens. Compliance soll sicherstellen, dass sich alle Mitarbeiter eines Unternehmens an die gesetzlichen Vorschriften halten. Durch die Compliance-Untersuchung möchte der Aufsichtsrat des Klinikums feststellen, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen, erklärt die Pressesprecherin des Klinikums, Susann Ganzert: „Zudem soll ermittelt werden, welche Reaktionen durch Vorgesetzte und die Klinikleitung auf diese Vorwürfe erfolgten und ob diese zulässig waren.“

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Auf der Grundlage des Verfahrens sollen anschließend Maßnahmen abgeleitet werden, sagt Ganzert. Das Verfahren werde ergebnisoffen geführt: Welche möglichen Schritte sich an das Verfahren anschließen, sei vorab nicht festgelegt worden.

Welche rechtlichen Grundlagen gibt es?

Eine gesetzliche Verfahrensregelung für Compliance-Untersuchungen gebe es in Deutschland nicht, sagt Pressesprecherin Susann Ganzert. Es hätten sich jedoch Standards und Maßgaben etabliert, nach denen sich die Kanzlei Feigen Graf richte. Die Kanzlei wurde mit der Aufarbeitung betraut. Gesetzliche Vorgaben aus dem Betriebsverfassungsrecht, dem Datenschutzrecht, dem Strafrecht sowie dem Arbeitsrecht würden dabei beachtet.

Wie läuft das Compliance-Verfahren ab?

Wesentliche Elemente der Untersuchung seien die Auswertung elektronischer Daten und Akten in Papierform, sowie die Durchführung von Aufklärungsgesprächen: „Dazu befragt die Kanzlei unter anderem Ärzte, Mitarbeitende der Pflege sowie weitere Beschäftigte und Organe des Klinikums“, sagt Susann Ganzert. Zudem werde ein medizinischer Sachverständiger ein Gutachten erstellen.

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Welche Unterschiede gibt es zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft?

Die Staatsanwaltschaft leitet ein Ermittlungsverfahren ein, sofern es konkrete Anhaltspunkte gibt, die es möglich machen, dass eine Straftat vorliegt. Das ist in Friedrichshafen inzwischen geschehen. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg beschäftigt sich mit den strafrechtlichen Vorwürfen: Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug und ärztlicher Fehlbehandlungen. Wenn ein Tatvorwurf nachweisbar sein sollte, kommt es zu Anklage. Andernfalls wird das Verfahren eingestellt.

Compliance-Verfahren und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfolgen unabhängig voneinander. Bei der Compliance-Untersuchung prüft die beauftragte Kanzlei, ob über mögliche strafrechtliche Verstöße hinaus auch andere Rechtsverstöße begangen wurden. Daher sei das Compliance-Verfahren durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht hinfällig, sagt die Sprecherin des Klinikums, Susann Ganzert. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben können, ist dagegen unklar. Geschäftsführung und Aufsichtsrat machen dazu bislang keine genauen Angaben: „Der Aufsichtsrat hat keine Beschlüsse getroffen, die seine Entscheidungsmöglichkeiten von Vornherein einschränken.“