Drei Todesopfer und eine schwer Verletzte forderte eine Familientragödie am 26. März gegen 21 Uhr in Lienheim bei Hohentengen. Ein 19-Jähriger soll seine Eltern, seinen Bruder und seine Schwester in einem Mehrfamilienhaus unter anderem mit einer Stichwaffe angegriffen haben. Er wurde festgenommen.

+++ Das ist der aktuelle Stand am 1. April 2024 +++

Gemeinde richtet Spendenkonto ein

Die Gemeinde Hohentengen hat sich mit einem Spendenaufruf für die Hinterbliebenen der Familientragödie an die Öffentlichkeit gewandt. Auf der Homepage von Hohentengen ist in einem von Bürgermeister Jürgen Wiener unterzeichneten Aufruf zu lesen: „In Absprache mit den engsten Bekannten der Familie, die von der tragischen Familientragödie betroffen sind, haben wir beschlossen, einen Spendenaufruf zu starten, um den Hinterbliebenen in dieser schweren Zeit beizustehen.“

Die Gemeinde möchte den Betroffenen nach der ersten Phase des Trauerprozesses die finanzielle Last nehmen, die unter anderem mit den Beerdigungskosten der drei Familienmitglieder verbunden sein wird.

Bürgermeister appelliert an Bevölkerung

Darum wurde bei der Sparkasse Hochrhein ein Spendenkonto eingerichtet. „Wir möchten Sie herzlich einladen, sich an dieser solidarischen Geste zu beteiligen und den Hinterbliebenen in ihrer Not beizustehen“, so der Appell des Bürgermeisters. Jeder Beitrag, sei er noch so klein, könne helfen. Spenden können an folgende Bankverbindung überweisen werden: Gemeinde Hohentengen am Hochrhein, IBAN: DE26 6845 2290 0077 1055 91 unter dem Verwendungszweck „Spendenaufruf“.

+++ Das ist der aktuelle Stand am 28. März 2024 +++

Tatverdächtiger in Haft

Der 19-jährige Tatverdächtige wurde am Mittwoch dem zuständigen Haftrichter des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vorgeführt, der den Haftbefehl erließ und in Vollzug setzte. Darüber informieren Staatsanwaltschaft und Polizei in einer gemeinsamen Mitteilung.

Im Rahmen der Haftbefehlseröffnung machte der Beschuldigte den Informationen zufolge Angaben zur Sache. Anschließend wurde er in eine Justizvollzugseinrichtung verbracht.

Bereits am Vortag gab es Streit

Der Beschuldigte ist laut Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft bisher nicht vorbestraft. Über ein weiteres Detail informieren die Ermittler: Bereits am Vortag kam es zu einer innerfamiliären Streitigkeit, die durch die Polizei geschlichtet werden konnte.

Es liegen nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Erkenntnisse über einen betäubungsmittelrelevanten Hintergrund vor.

Wie geht es der schwer verletzten Schwester des Tatverdächtigen?

Die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen bittet um Verständnis, dass derzeit aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine weiteren Angaben zum konkreten Tatablauf oder sonstigen Tatumständen gemacht werden können.

Dies gelte auch für den Gesundheitszustand der Schwester des Beschuldigten. Und doch gibt es ein Update: „Insoweit wird nur mitgeteilt, dass keine lebensbedrohlichen Stich- und Schnittverletzungen vorliegen.“

+++ Das war der Stand am 27. März 2024 +++

Was ist bislang bekannt?

Die Eltern im Alter von 58 und 61 Jahren verstarben noch am Tatort, heißt es in der Mitteilung. Der 34-jährige Bruder des Tatverdächtigen verstarb trotz Reanimationsmaßnahmen an den Folgen der erlittenen Verletzungen im Krankenhaus.

Sie nehmen alles genau unter die Lupe.
Sie nehmen alles genau unter die Lupe. | Bild: Markus Baier

Die Schwester des Beschuldigten erlitt ebenfalls schwere Stichverletzungen. Sie wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Ihre Verletzungen waren nicht lebensbedrohlich. „Sie ist außer Lebensgefahr, ist aber immer noch im Krankenhaus“, sagt Polizeisprecher Mathias Albicker auf SÜDKURIER-Nachfrage einen Tag nach der Tragödie am Telefon.

Die Spurensicherung am Tatort Video: Markus Baier

Wie ist die Lage vor Ort?

Am Vormittag nach dem schweren Verbrechen strahlt Lienheim vor allem eine große Unscheinbarkeit aus. Die Straßen sind wie ausgestorben. Der Wind pfeift schneidend durch den Ort.

Nichts gibt Hinweis auf die Ereignisse der vergangenen Nacht, die laut Schilderungen einer Augenzeugin durchaus Aufsehen erregten. Das bestätigt auch ein Anwohner, der in seinem Garten Pflanzarbeiten vornimmt: „Der Rettungswagen hat gleich die Straße runter geparkt. Ein Hubschrauber ist auf der Wiese am Ortsrand gelandet.“ Was Anlass des Aufruhrs gewesen sei oder wo genau? Er habe sich nicht weiter darum gekümmert.

Ein weiterer Passant kennt immerhin die Adresse, an dem sich die Tragödie abgespielt hat. Von außen deutet nichts auf einen möglichen Tatort hin. Keine Absperrung, keine Polizei. Lediglich ein Mann steht rauchend vor der Tür. „Ich lebe in der Wohnung direkt neben der Familie“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Ereignisse der voran gegangenen Nacht hätten ihn sehr mitgenommen.

Drogenproblematik Gegenstand der Ermittlungen

Dabei habe er die Tragweite der Ereignisse zunächst gar nicht richtig einschätzen können: „Es ging oft laut zu“, erklärt der Mittfünfziger kurz. Der jetzt Tatverdächtige sei in den vergangenen Jahren immer wieder im Zusammenhang mit Drogen auffällig und auch handgreiflich geworden, berichtet der Nachbar.

Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt auch Polizeisprecher Albicker, dass eine mögliche Drogenproblematik auch Gegenstand der Ermittlungen sei, die die Polizei mit großem personellem Einsatz führe.

Sie untersuchen alles gründlich Video: Markus Baier

Aktuell sind auch Techniker der Spurensicherung vor Ort im Einsatz. Befragungen laufen noch. Nach jetzigem Stand könnten bereits im Lauf des Nachmittags detailliertere Informationen veröffentlicht werden, so Albicker weiter.

Bürgermeister Wiener: „Ermittler sollen ungestört arbeiten können“

Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener.
Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener. | Bild: BM Jürgen Wiener.jpg

Unterdessen schockiert die Familientragödie die Gemeinde. Auch Bürgermeister Jürgen Wiener brachte im Gespräch die große Betroffenheit zum Ausdruck: „Das ist einfach schrecklich. Das muss man erst einmal verarbeiten.“

Dass das Medieninteresse im Lauf des Mittwochs deutlich zunahm, mache die Sache für viele Menschen nicht unbedingt einfacher, so sein Eindruck: „Wir versuchen seitens der Gemeinde natürlich Rede und Antwort zu stehen. Wichtig ist aber auch, dass die Ermittler nun in Ruhe ihre Arbeit machen können.“ Das sei für das weitere Verfahren entscheidend.

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Als ehemaliger Polizist bringe er selbst gewisse Erfahrungswerte mit derartigen Vorfällen mit, so Wiener: „Daher kann ich auch sagen, dass jeder Fall sehr individuell ist und mit der entsprechenden Vorsicht gehandhabt werden muss.“ Das gelte insbesondere auch mit Blick auf Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, insbesondere der Schwester des Beschuldigten, die schwer verletzt wurde.

Wo ist der Beschuldigte jetzt?

Der Beschuldigte wurde am Tatort vorläufig festgenommen. Am Mittwoch wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den 19-jährigen deutschen und italienischen Staatsangehörigen erlassen, wegen des dringenden Tatverdachts des Totschlags in drei Fällen sowie des versuchten Totschlags, wie Polizeisprecher Albicker erklärte. Jetzt befinde er sich in Untersuchungshaft

Das Werkzeug der Spurensicherung.
Das Werkzeug der Spurensicherung. | Bild: Markus Baier

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen und des Kriminalkommissariats Waldshut-Tiengen dauern derweil an. Auch werden laut Albicker noch mögliche Zeugen der Tat befragt. Im Zentrum stehe, Hintergründe der Tat und etwaige Motive in Erfahrung zu bringen.